Happy End nach Grossschadenereignis – Unmögliches wird gemeinsam möglich
Eigentlich nicht möglich: Grossbrand im März 2018, Aufrichte des Ersatzneubaus im August. Bereits im September findet die reiche Obsternte Platz im neuen, technisch modernisierten Kühllager. Nach einem Jahr lässt sich der Schadenfall zwar überblicken, vollständig abgeschlossen ist er dennoch nicht.
Benno Neff, CEO der Tobi Seeobst AG, und Theo Schmid, Leiter des Betriebs Egnach, besuchen am Freitagabend, des 25. März 2018, gemeinsam eine Veranstaltung in Weinfelden, als kurz nach 23.30 Uhr das Handy klingelt: In Egnach ist ein Feuer ausgebrochen. Ruhig Blut, so schlimm wird es nicht sein, Menschen übertreiben in Stresssituationen gerne, geht es den beiden durch den Kopf. Auf der Rückfahrt sehen die Führungskräfte jedoch schon von weitem, dass ihre Hoffnung trügt. Der Nachthimmel glüht rot.
Kurz nach Mitternacht kämpfen die Einsatzkräfte mit über 30 Meter hohen Flammen. Mitarbeitende sind ebenfalls vor Ort, unterstützen organisatorisch, öffnen Türen. Das Aussenlager der 40'000 und je 300 Kilogramm Obst fassenden Kunststoffkisten brennt lichterloh. Trotz fünf Wasserleitungen gelingt es nicht, das Übergreifen auf das erst 2011 erstellte Kühllager zu vermeiden. Die SBB haben zwischenzeitlich den Bahnbetrieb auf der direkt am Betriebsreal vorbeiführenden Linie eingestellt und unterstützen die Feuerwehr mit einem Löschzug. Aber alles Wasser genügt nicht: Es braucht zusätzlich Löschschaum, um weitere Gebäude zu sichern.
Die lange Nacht: Schon um zwei Uhr ist die Presse vor Ort, erste Zuschauer ebenso. Es gilt Fehlinformationen zu vermeiden und den Informationsfluss zu steuern. Denn eines stellt sich rasch heraus: Egal, welche Informationen oder Zahlen bekannt gegeben werden, sie finden sich innert Kürze in den Medien wieder – ob richtig oder falsch. Gut, dass auch der Pressesprecher der Kantonspolizei da ist, denn von Medienschaffenden sind teilweise Sensation und Emotionen gefragt – nein, ein trauriges Bild des CEO und Betriebsleiter darf nicht sein – es gilt, das Richtige zu tun und Infos zu bündeln, zu koordinieren und zu kommunizieren. Auch der Verwaltungsrat will informiert sein, bevor alles durch die Medien geht. CEO und Betriebsleiter arbeiten die Nacht durch, sind an jedem Einsatzrapport dabei und rufen die Geschäftsleitung auf morgens sieben Uhr zusammen. Anschliessend findet die erste Pressekonferenz statt. Alle "funktionieren" – mit hohem Adrenalinspiegel. Zum Glück hat es keine Verletzten gegeben.
Der sprichwörtliche Tobi-Biss: nicht nur für Früchte
Weiterhin zählen Reaktion und Organisation: Am GL-Meeting kommen die vielen Facetten des Wie-weiter zum Vorschein. Nachdem die Einsatzkräfte die Brandnacht, in der man sich etwas hilflos gefühlt hat, dominierten, ändert sich nun die Verantwortung. Es gilt, den Notfallbetrieb aufrecht zu erhalten, die Brandstelle zu übernehmen und alle Personen vom einsturzgefährdeten Verbindungsdach fernzuhalten. Wichtige vermeintliche Kleinigkeiten sind festzulegen, wie z.B. der Einsatz einer Hundepatrouille oder die Sperrung des angrenzenden Velowegs. Denn zwischenzeitlich hat sich die Tobi Seeobst AG zu einer Art Sehenswürdigkeit entwickelt. Vor allem gilt es, Prioritäten zu setzen: Wohin soll die reiche Ernte der Region? Wie funktioniert der Betrieb weiter? Wer räumt auf? Wie schnell ist ein Wiederaufbau vor Ort und auch kühltechnisch zeitgerecht möglich? Wo steht das Ausbauprojekt im Schwesternbetrieb Bischofszell? Wo ist, nach der mageren Ernte 2017, genügend gleichwertig gutes Obst für die Lieferverpflichtungen verfügbar? Besteht Ersatz für die zerstörten Kisten bis zur neuen Ernte? Dieses Meeting ist das wichtigste überhaupt, denn hier wird das gesamte weitere Vorgehen geplant und damit die Basis gelegt, notwendige Schritte schnell mit den erforderlichen Partnern anzugehen.
Am Samstag geht es nonstop weiter: Positive, proaktive Kommunikation ist das A und O, um Ängste von Belegschaft, Kunden und Produzenten sowie Mietern zu minimieren. Mittags sind Vertreter von Mobiliar und Funk vor Ort, es geht um Schadensermittlung, erste Zusagen und nicht zuletzt um die beruhigende Gewissheit, über ausreichenden Versicherungsschutz zu verfügen. Denn die erste Schätzung eines Gesamtschadens in der Grössenordnung von 15 Mio. Franken sollte sich bewahrheiten. Dass auch die Lager der eingemieteten Firmen voll mitversichert sind, vereinfacht das Ganze. Daneben laufen weitere Interviews. Am Sonntag ist es deutlich ruhiger. Umso grösser die Überraschung, als nach der 45-minütigen Kaderbesprechung zum Thema "Sofortmassnahmen und next" am Montagmorgen wieder reihenweise Journalisten, frisch erholt vom Wochenende, anstehen. Diese erhalten die aktuellen Informationen.
Bewährte Partnerschaften zählen
Alle Partner sind sich dem Ernst der Lage bewusst und legen sich ins Zeug. Wiederum zählt die positive Grundhaltung: Vom mittlerweile 76-jährigen Ingenieur, der den 2011 gebauten Stahlbau plante und so eine Baueingabe zwölf Tage nach Brandausbruch ermöglicht, bis zum Verzicht der Nachbarschaft auf Einsprachen, damit der raschmöglichsten Baubewilligung der Gemeinde nichts im Wege steht. Der Einsatz der Entsorgungsfirmen, des Stahlbauers, des Lieferanten der grossen Kühlaggregate, bis zum über die Schmerzgrenze hinaus arbeitenden Elektrikers – allen Akteuren sei herzlich gedankt. Nur so war ein Neubau in weniger als fünf Monaten möglich.
Partnerschaftlich verläuft auch die versicherungsseitige Abwicklung mit dem Schadenexperten der Mobiliar, Fredy Niedermann. Man kennt sich von früheren Ereignissen und als gelernter Meisterlandwirt ist der sympathische Berner Seeländer hier genau der Richtige. Es gibt kein Feilschen um Details, gemeinsam blickt man aufs grosse Ganze. Speditiv erfolgen Freigaben für Ersatzbeschaffungen. Die Fairness ist gegenseitig: Im Gesamtinteresse verzichtet auch die Tobi Seeobst AG auf die Geltendmachung der eigenen Arbeitsstunden. Angesichts der zeitlichen Verhältnisse hat "pingelig" sein keinen Platz. Funk bietet Unterstützung im Schadenprozess und muss nicht wie bei anderen Grossschäden Diskussionen und Obliegenheiten führen. Denn die Brandursache ist klar: Es war Brandstiftung durch Jugendliche. Funk weiss das kundengerechte Verhalten der Mobiliar zu schätzen.
Happy End mit Pendenzen
Für Benno Neff ist das Aufrichtefest im August 2018 ein Höhepunkt und zugleich Bestätigung seiner stets positiven Kommunikation. Die 350 geladenen Gäste – Einsatzkräfte, Handwerker und die Egnacher Belegschaft – kommen gerne und verbringen einen vergnügten langen Abend.
Neben eindrücklichen Erlebnissen bleibt für alle Beteiligten eine Reihe von Erkenntnissen. Dazu einige Beispiele: Kunststoffkisten brennen unerwartet schnell und sie schmelzen zu einer lavaähnlichen Masse, die so heiss wird, dass sie sich mit dem Teerbelag vermischt. Die so entstehende, 30 bis 70 Zentimeter dicke und feste Schicht zwischen dem schwarz verbrannten Kunststoff an der Oberfläche und dem Teergemisch auf dem Boden ist ein Klumpen aus buntem Kunststoff. Die Aufräumarbeiten müssen sehr schnell erfolgen, denn die 1'900 Tonnen Obst und Gemüse bilden einen Saft, der die Bodenplatte zerfrisst. Und ohne solide Bodenplatte dauert ein Wiederaufbau deutlich länger.
Weitere Erkenntnisse: Wasser als Löschmittel hat seine Grenzen und grosse Mengen von Löschschaum verursachen sowohl Zusatzkosten für die Wasserreinigung wie auch Umweltschäden durch Tenside auf dem benachbarten Bauland. Ein Brandschaden kann also auch zu Haftpflichtfällen führen, auch dann wenn selbst keine Mitschuld besteht.
Ebenso sind aus versicherungstechnischer Sicht Lehren zu ziehen: Dieser an sich klassische Brandfall zeigt die Wichtigkeit einer ausreichenden Pauschale für Zusatzkosten. Eine fundierte Bedarfsermittlung, basierend auf Szenarien, zeigt Schadenpotenziale auf und führt so zur Diskussion ausreichender Versicherungssummen und Sublimiten – auch in der Haftpflicht- oder Betriebsunterbrechungsversicherung.
Dieser Fall zeigt: Man denkt spontan an die in der Schadenpraxis oft überraschend hohen Aufräumungs- und Entsorgungskosten und zu wenig an die anderen gut zwanzig Kostenarten. Im vorliegenden Fall ist der Einschluss "Mehrkosten aufgrund behördlicher Verfügung" von Bedeutung. Denn aufgrund der seit 2011 geänderten Vorschriften war die Kühltechnologie (damals waren Ammoniak und Glykol noch zulässig) von Gesetzes wegen anzupassen. Die Mehrkosten dafür betrugen rund eine Million Franken – kein Problem, wenn auch diese genügend versichert sind. So sind der CEO der Tobi Seeobst AG und der Schadenexperte der Mobiliar zufrieden, auch die Berater von Funk atmen tief durch.
Ihr Ansprechpartner
Bildnachweis
Titelbild: Fotograf Ralph Ribi/St.Galler Tagblatt
Restliche Bilder: Mobiliar